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Aaron Sachs - Ich will. Sie will. Es will nicht.


Es war ein harter Kampf. Bei dieser Buchverlosung ging es um lediglich drei Print-Exemplare. Die Konkurenz war unnachgiebig … das heißt, alle drei, die sich beworben haben. Huch? 100% Siegeschancen! Wuhey! Ich hatte mich für das Buch beworben, weil der Autor in seinem Youtube-Video recht sympathisch wirkte, charmant und witzig, vielleicht ein klein wenig sehr von sich über-zeugt, aber hey: Selbstbewusstsein schadet nie. Als das Buch ankam, musste ich erstmal Schlucken. Schon bei lovelybooks in der Buchverlosung fand ich das grüne Cover mit dem dicken Smiley nicht unbedingt an-sprechend. Vor allem die kleineren Symbole im Smiley ließen das Cover trotz seiner Einfachheit überladen wirken. Die Frau in der Tür auf dem Mund des Gesichts hinterließ bei mir nun noch mehr den Eindruck eines Hitlerbärtchens. Was mich aber wirklich am Cover stört, ist die Qualität des Bildes. Es ist pixelig, wirkt einfach nur auf die passende Größe gestrecht (der Smiley ist nicht rund, sondern oval) und selbst die ISBN auf der Rückseite ist unscharf. Hat die Druckerei nicht darauf Aufmerksam gemacht, dass die Bildauflösung für das Format unpassend ist? Dass man auf linksbündigen Text und nicht auf Textblock gesetzt hat, ist auch eine eher ungewöhnliche Art, ein Buch zu formatieren, aber es hat mich nach einer Weile deutlich weniger gestört, als ich es anfänglich vermutet habe. Aber gut, man soll ein Buch ja nicht nach seinem Einband beurteilen, nicht wahr? Ich fasste mir also ein Herz und hoffte, dass es wenigstens dem Untertitel Fast ein Comedy-Buch aus Deutschland gerecht wird (den ich leider nirgends auf dem Einband sehen konnte. Schade, wurde nur im Video erwähnt), auch wenn ich von – gewissermaßen – Autobiographien nicht der größte Fan bin. Gewissermaßen weil der Autor selbst erst dreißig ist und die Geschichte lediglich eine Episode von etwa 10 Jahren seines Lebens abhandelt. Dafür aber ungefähr zweihundert Jahre seiner Familiengeschichte. Ist doch auch was! Aaron Sachs, pseudonymisierter (ist das ein echtes Wort? Wenn nicht habe ich es jetzt erfunden, als möchte ich zwanzig Euro Nutzungsgebühr, wenn immer ihr es verwendet!) Autor und Protagonist der Geschichte, erzählt in einigen Kapiteln von seiner bewegten und nicht ganz sauberen Jugend. Er spricht von Alkohol- und Drogenkonsum, spricht unverblümt über Dokumentenfälschung und Waffenbesitz, von Betrug und ganz nebenbei von einer Vielzahl seltsamer Leute, die er Zeit seiner Jugend getroffen hat. Aber er beschreibt auch, wie er sich selbst aus diesem Sumpf gezogen und versucht hat, ein neues, besseres Leben zu beginnen. Die Geschichte beginnt in einem Irrenhaus. Viele gute Geschichten beginnen so, meist jedoch metaphorisch. Sachs meinte es allerdings ernst. Die Geschichte beginnt wirklich in der Psychiatrie und verbleibt dort auch die meiste Zeit über – wenn auch die meiste Handlung vor der Zeit in der Klinik spielt. Hier trifft man bereits auf die ersten skurrilen Charaktere, aber auch auf Daniela, der Aaron seine bisherige Lebensgeschichte schildert und dabei fast so gut im Weitausholen ist wie Ted Mosby aus How I met your mother. Viele der Kapitel waren – obwohl ich das anfänglich nicht für möglich gehalten habe, da es sich bei Sachs weder um einen Bekannten, noch um eine Berühmtheit handelt – erstaunlich interessant geschrieben und die Sympathie zum Protagonisten wuchs entgegen allen Bedenken doch stetig mit. Vor allem zu Anfangs fiel es mir schwer, Sympathien zu den Charakteren – allen voran zu Aaron – aufzubauen. Ich fand ihn überheblich und sein Mangel an Urteilsvermögen ließ mich ein paar Mal zu oft verzweifelt seufzen. Von dem erhofften Humor fand man immer nur Prisen, wirklich witzig fand ich nur wenige Passagen. Oftmals ging es eher darum, in seiner zwölfjährigen Naivität die Schuld in jemand anderem, als sich selbst zu suchen. Vor allem, dass er einen Therapieplatz einfach so weggeworfen hat, hat mich wütend gemacht, da ich weiß, dass viele Leute verzweifelt Jahre lang danach suchen. Aber gut, ich habe mich nicht beirren lassen und weitergelesen. Nach dem ersten Drittel des Buches folgte die angekündigt Lehrstunde über Antisemitismus, die ich persönlich als recht anstrengend und zäh empfand. Nicht, dass ich das Thema irgendwie schlechtreden möchte, aber irgendwie wirkte das Kapitel für das Buch einfach unpassend. Aaron war zwar an einer jüdischen Schule, selbst war er aber, wenn ich mich recht entsinne katholisch aufgezogen worden, machte sich aber allgemein nicht viel aus Religion. Wieso also dieser lange und breite Exkurs über Judenverfolgungen und Asyl in den sowjetischen Staaten? Nach diesem Kapitel gab es nie auch nur wieder eine Erwähnung von Juden oder Religion allgemein. Obwohl doch, einmal kurz während einer Beerdigung, aber das entschuldigt nicht die fünfundzwanzig Seiten Monolog von Josef. Danach allerdings wurde das Buch langsam besser. Aaron wuchs über sich selbst hinaus, begann an seinen Fehlern zu arbeiten und wurde mir damit endlich auch sympathischer. Das hatte zur Folge, dass auch andere Charaktere, die nun langsam zu wiederkehrenden Elementen des Buches wurden (zuvor war das Buch sehr stark auf Aaron fokusiert und las sich mehr wie ein Roadtrip), mehr Tiefe verliehen wurde und man begann, sich für diese zu interessieren – oder sie zu hassen. An einigen Stellen habe ich sogar wirklich mit Aaron mitgefühlt, auch Pauls Schicksal hat mich berührt, Tommi fand ich ebenso einen großartigen Charakter. Für dieses Buch ist es schwierig eine Empfehlung auszusprechen. Ich denke, ich würde es am ehesten Personen ans Herz legen, die sich bereits mit der Thematik von Depressionen und deren Bewältigung ausein-andergesetzt haben. Auch für Leute, die sich gerne mit dem Leben anderer auseinandersetzen, könnte das Buch interessant sein. Ich persönlich fand es nett und ab einer gewissen Stelle dann auch lesenswert, aber wirklich mitgenommen habe ich aus dem Buch nichts. Vor allem der Humor, der durch das Vorstellungsvideo impliziert wurde, kam meines Erachtens zu kurz. Die meisten Stellen, an denen ich schmunzeln musste, waren jene, als der Autor die vierte Wand durchbrochen hat, um dem Leser eine gewisse Wortwahl oder Reaktion näherzubringen. So gesehen würde ich das Buch also eher als Tragikomödie einstufen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten und etlicher Kritikpunkte gebe ich dem Buch dennoch 3 von 5 Sternen, was unter anderem auch daran liegt, dass es eine Menge Mut erfordert, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen. Das will ich hiermit respektieren.


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