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Alexandra Gehring - Schläge der Lust


Das war sie nun meine doppelte, nein, sogar dreifache Premiere!

Mit Schläge der Lust von Alexandra Gehring habe ich nicht nur meinen ersten BDSM-Ro-

man gelesen, sondern auch meinen ersten vollwertigen Erotik-Roman. Außerdem war es mein allererstes Rezensionsexemplar überhaupt. Von daher hatte das Buch für mich eine besondere Bedeutung.

Nun, dass etwas Besonderes nicht unbe- dingt immer gut sein muss, werden die fol- genden Zeilen klären.


Gleich vornweg möchte ich anmerken, dass ich hier keine Kritik an der eigentlichen Praxis des BDSM üben werde. Die Sache ist nämlich die, dass ich mit Bondage und SM nun Mal gar nichts anfangen kann und das hat dieses Buch auch nicht zu verändern vermocht. Ich werde mich also mit einer Wertung über die Praxis selbst sehr zurückhalten, nur den einen oder anderen Punkt anmerken, der aber nicht alleine auf die Praxis per se bezogen ist, sondern mit anderen Kritikpunkten zusammenhängt.

Langes Vorwort ist lang.


Fangen wir doch einfach mal ganz vorne an. Beim Einband nämlich. Dieser ist ansprechend gestaltet. Für jemanden, der sowieso auf weibliche Hinterteile steht, ist ein ansehnliches Gesäß in schöner Wäsche natürlich ein netter Anblick, auch wenn der Einband sonst eher minimalistisch gehalten ist.

Die Geschichte um Vanessa und ihren Herren Alexander beginnt mit ihrem ersten Aufeinandertreffen. Sie haben sich in einem Forum kennengelernt und sich für eine Session verabredet. Bereits auf den ersten Seiten bekommt man ein gutes Bild der beiden Handlungsträger vermittelt. Dadurch gelingt der Einstieg ins Buch schon Mal recht gut.

Leider fällt mir bereits beim ersten Monolog (Vanessas Vorstellung im Bistro) ein Punkt auf, der sich durch das ganze Buch zieht:

Die Dialoge sind absolut schrecklich!

Versteht mich nicht falsch – die Sprache an sich ist tadellos, aber sie ist eben nicht für Gespräche geeignet. Ob es nun Vanessa, Alexander oder einer der zahlreichen anderen Charaktere ist, die im Laufe der Geschichte ins Spiel kommen – sobald sie mehr als drei Zeilen Text bekommen, klingt ihre Sprache furchtbar stelzig, als würden sie ein Interview für eine Zeitung geben oder ihre Memoiren schreiben. Sie erzählen also, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Dialoge mögen dadurch zwar jede Menge Informationen vermitteln können, aber sie klingen alles andere als natürlich.

Auf Seite 19 ging es dann also los mit dem wilden rumgepimper. Doch nicht etwa, wie erwartet zwischen Vanessa und Alexander. Nein, Vanessa wird erstmal fröhlich frei von verschiedenen Männern – verzeiht die Ausdrucksweise, ich habe das Buch komplett gelesen und weiß, dass das alles nicht so ist, wie es aussieht, aber in diesem Moment ist es eben genau das: - vergewaltigt. Schön, dass Vanessa wenigstens ein paar Zweifel diesbezüglich kommen, aber wirklich konsequent ist sie mit ihren Gefühlen nicht. Mal findet sie es schlimm, dass man sie gegen ihren Willen (und zu Anfang ist es wirklich gegen ihren Willen) vögelt, im nächsten Moment reagiert sie wie ein Hentai-Anime-Mädchen, das sich Hals über Kopf in das Tentakelmonster verliebt, das sie gerade missbraucht.

Ich muss zugeben, dass mir das das erst positive Bild, das ich von Vanessa hatte, ziemlich kaputt gemacht hat.

Erst gegen Hälfte des Buches, begann ich wieder eine gewisse Sympathie ihr gegenüber zu spüren. Auch fing ich jetzt langsam an, eine Beziehung zu den anderen Charakteren aufzubauen, besonders zu Jana und Katharina – obwohl ich bis zum Schluss keine wirkliche Vorstellung von ihrem Aussehen hatte (mal ernsthaft, ich hab das Gefühl, dass man bis auf Vanessa, Alexander und am Ende Jasmin von keinem Charakter mehr Informationen bekommen hat, als die Beschaffenheit ihrer Geschlechtsteile) – da diese eine freundschaftliche Bindung zu Vanessa aufbauten, die ja unser Point of View in der Geschichte ist. Allgemein beginnt man ab Mitte des Buches zu allen Charakteren eine kleine Bindung aufzubauen – und das obwohl eigentlich auf neun von zehn Seiten nur kopuliert wird.

Wie auch immer. Mit der Hälfte des Buches erreicht man dann aber auch den Punkt, an dem Vanessa als Zentrum der Geschichte langsam in den Hintergrund rückt. Oftmals wird sie uns nur noch als stiller Beobachter präsentiert, die sich selten bis gar nicht in die jeweiligen Sexpraktiken einbringt. Einige Abschnitte, teilweise sogar Kapitel hätte man auch komplett ohne ihre Anwesenheit genauso schreiben können – oder eben weg- lassen.

Mit jeder Seite wurde mir deutlicher, dass ich nicht wirklich auf eine Geschichte hoffen durfte. Das Buch liest sich, wie eine Aneinanderreihung von zusammenhängenden Kurzgeschichten, die zwar im gesamten ein großes Ganzes bilden und auch als Einzelkapitel funktionieren würden, im Großen und Ganzen aber unvollendet wirken. Wir haben einen guten Einstieg in die Geschichte, haben gegen Mitte einen drastischen Wendepunkt in der Konstellation der Charaktere und dann quasi eine Stagnation des Spannungsbogens. Vanessa lernt neue Praktiken und neue Leute kennen, vertieft ihre Erfahrungen, aber eine Geschichte wird dabei nicht vorangetrieben. Mit der letzten Seite fühlt man sich irgendwie alleingelassen. Das Treffen der SM-Gruppe war vorbei – Ende. Das wäre an sich kein Thema gewesen, wenn man bei der Erzählung der Geschichte so konsequent gewesen wäre, dies als einziges Ende einzubringen. Aber es gab bereits davor größere Zeitsprünge, die ebenso als Ende der Geschichte hätten dienen können. Ich für meinen Teil hatte das Gefühl, dass Frau Gehring nach dem Kapitel Clubbesuch, spätestens aber mit dem Kapitel Schlagersängerin ihre ursprüngliche Geschichte abgeschlossen hatte (wäre ein passender Zeitpunkt gewesen, aus erzählerischer Sicht), der Verlag aber wenigstens auf 200 Seiten kommen wollte, also hat man einfach immer nur eine weitere Geschichte gesponnen, bis man die geforderten Seiten voll hatte.


Wie man an meinen harten Worten merkt, bin ich mit dem „Erotik“-„Roman“ nicht wirklich warm geworden. Erotik ist für mich ein Ausdruck von Sinnlichkeit. Weniger ist manchmal mehr. Gehrings Wortwahl ist dreckig und direkt. Passend für BDSM allemal, passend für die Begrifflichkeit Erotik? Eher weniger.

Die Erzählweise wusste mich nicht so recht zu überzeugen, der Aufbau der Dialoge war – trotz der zahlreichen und teilweise auch sehr guten Informationen (nein ernsthaft, ich mochte den Einblick in die Psychologie von BDSM-Fans wirklich!) – zum Teil schrecklich, die Geschichte plätscherte vor sich hin. Die Wortwahl an manchen Stellen, war einfach nur zum Haare raufen. Oftmals wiederholten binnen weniger Sätze Charaktere ihre Aussagen, oder es gab Worte wie Pissi, die nicht nur wie der Fantasie eines Dreijährigen entsprungen anmuteten, sondern auch dramaturgisch nicht in den Bereich BDSM passten. Auch, dass das Wort Votze, welches wir pro Seite mindestens zwei Mal lesen (ich übertreibe nicht) ständig mit V geschrieben wird, machte mich oftmals fuchsteufels- wild. Ich weiß, dass man es auf Grund regionaler Dialektik und Sprachentwicklung auch mit V schreiben darf, aber ich hasse auch die Worte Atlasse, Taxis und Globusse. Diese Version 1.0 enthält auch ein paar vergessene Worte und Rechtschreibfehler. Kann jedem Mal passieren, sollte in späteren Printausgaben ausgebessert werden.

Eine Charakterentwicklung war zwar spürbar, aber vor allem bei unserer Protagonistin Vanessa teilweise sehr fragwürdig und inkonsequent. Rollen wie Jana und Katarina konnte ich da viel eher ins Herz schließen. Viele Charaktere blieben mir leider auch ein- fach nur recht herzlich egal.

Die Sexszenen waren zahlreich, direkt und derb. Gehring verwendete nicht viel Zeit darauf, Gefühle zu schildern, sondern konfrontiert den Leser mit knallharten Fakten. Wer fickt wie wen, wie lang, wie tief, wie hart. Was ein Charakter dabei fühlt – vor allem die Männer der Runde – ist hierbei nebensächlich.

Und kann es sein, dass da der ein oder andere Obolus für Product Placement an Autor oder Verlag geflossen ist? Ich will ja nicht sagen, dass der Magic Wand verdächtig oft genannt wird, aber abgesehen davon wurden alle Markennamen, die irgendwie mit der Geschichte in Verbindung standen umschrieben oder nur angedeutet.

Ein letztes noch – und das geht an den Verlag, nicht an die Autorin: behaltet doch bitte ein Schriftformat bei, ja? Die Schriftgröße, Zeichenabstand bzw. ein Narrow-Font zu verwen- den um einen Absatz irgendwie noch auf ein gewünschtes Format zu pressen, wirkt billig.


Schläge der Lust ist eine direkte, unausgeschmückte Geschichte über eine Vielzahl verschiedener SM-Techniken. Die Autorin legt einen besonderen Blickpunkt auf den Faktor der Züchtigung und Disziplinierung. Ropeplay und andere Fesselspiele, wie man sie aus seichteren Erotikromanen auf dem Markt kennen, werden ausgeführt – natürlich in härterer, direkterer Form -, bilden aber nicht den Fokus. Stattdessen geht es eher um Peinigung, das Brechen des submessiven Willens und der Psychologie der Machtlosig- keit. Letzter Punkt rettete für mich, der sonst kein Interesse an diesem Fetisch zeigt, die mäßige Geschichte und ließ mich zumindest einige Punkte mit zufriedenem Wissen in mein Gedächtnis aufnehmen.

Ich empfehle das Buch nur denen, die sich mit SM auskennen oder sich wirklich für das Thema interessieren. Wer sinnliche oder romantische Erotik sucht, wird mit diesem Buch keine Freude haben.

Von mir in diesem Fall nur 2 von 5 Sternen.

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