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Kai Meyer - Die Seiten der Welt (Band 1)

Stellt euch vor, unsere Welt wäre ein Buch. Und nun stellt euch vor, zwischen den Seiten existieren weitere Welten, die nur jene sehen können, die eine gewisse Gabe besitzen. Dies ist der Grundgedanke von 'Die Seiten der Welt'. Furia Faerfax besitzt die Gabe der Bibliomantik: das Talent, magische Energie aus Büchern zu ziehen und damit Wunder zu vollbringen. Sie ist noch unerfahren, beherrscht nur ein paar Taschenspielertricks, doch ist sie sich sicher, dass sie großes vollbringen kann, sobald sie ihr Seelenbuch - eine Art Katalysator für die Bibliomantik, ähnlich dem Grimoire oder Zauberstab anderer Magier - findet. Oder besser gesagt: es sie. Ihr Vater selbst ist nämlich ein begabter Bibliomant - bekannt UND gesucht. Doch nicht nur die Akademie - die selbsternannte 'Regierung' der bibliomantischen Welt - stellt eine Bedrohung für die Faerfax-Familie dar: es kursieren auch Gerüchte über sogenannte 'leere Bücher', die die Macht haben, jegliche geschriebenen Worte in ihrem Umkreis aufzusaugen und zu verschlingen. Und wenn es keine Bücher mehr gibt, gibt es auch keine Bibliomantik mehr. 'Die Seiten der Welt' haben mich durch ihr schlichtes, aber dennoch edles Äußeres auf sich Aufmerksam gemacht. Der Einband ist in simplem, aber äußerst geschmackvollem Schwarz und Gold gehalten und erinnert damit - bewusst! - an alte Ledereinbände mit Prägung. Vom Klappentext her erinnerte es mich ein wenig an Cornelia Funkes Tintenherz, welches ich zwar noch nicht gelesen habe, aber durchaus kenne (und die Verfilmung mochte). Ich muss gleich dazu sagen, dass ich Jugendbüchern immer eher skeptisch gegenüberstehe, aber hier wollte ich mein Glück einfach mal versuchen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Keinesfalls. Die ersten 30 Seiten ungefähr lesen sich ein wenig holprig. Meyer schmeißt den unvorbereiteten Leser in eine skurille Kulisse, ohne dabei wirklich auf die Bibliomantik eingegangen zu sein. Man versteht nicht wirklich, was geschieht, doch ab dem 4., 5. Kapitel lüftet sich der Schleier um die Magie der Bücher allmälich und die Geschichte nimmt an Fahrt auf. Und wie rassant sie das tut! Bereits ab Seite 100 etwa konnte ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Die Spannung und Action, die Meyer beschreibt ist trotz ihrer Einfachheit unglaublich bildlich beschrieben, man fiebert mit den Charakteren mit - egal ob Freund oder Feind - und obwohl es für Furia und ihre Kameraden selten Momente zum Durchatmen gibt, fühlt man sich von der Geschwindigkeit des Buches keinesfalls überfordert oder gar erschlagen. Meyer gelingt es wirklich gut, actionreiche Szenen ausklingen zu lassen, ohne langeweile aufkommen zu lassen, oder mit brachialem Vorgehen eine noch gewaltigere Szene zu erschaffen. Selbst die letzten Seiten, die sich bei vielen Büchern in die Länge ziehen, lasen sich hier angenehm flüssig. Was Meyer ebenfalls beherrscht, ist die Ausarbeitung der Charaktere. Mit Furia erschafft er eine vielschichtige Protagonistin, die einem ans Herz wächst, ohne dabei außer Acht zu lassen, dass sie nun Mal erst 15 ist, also gewissermaßen noch ein Kind. Auch wenn sie relativ erwachsen für ihr Alter wirkt, zeigen sich doch immer wieder einige naive Züge in ihr, die sie glaubwürdiger gestalten. Was mir ebenfalls gefallen hat, ist die Tatsache, dass sie trotz ihrer stark ausgeprägten Gabe niemals zu stark wirkt, was in vielen Jugendbüchern gern vernachlässtigt wird. Furia ist keine Mary Sue. Da fiel mir beim Lesen wirklich ein Stein vom Herzen. Auch die anderen Charaktere, die Meyer näher ins Rampenlicht rückt, wirken erstaunlich vielseitig und sympathisch. Ich liebe Cat und Isis, selbst die durchtriebene Umgarnte ist eine unglaublich interessante Persönlichkeit - und bitte! BITTE: darf ich an den Sessel und die Leselampe erinnern? Die heimlichen Helden dieses Epos? Herrlich! Ein weiterer Pluspunkt der Geschichte: es gibt kein klares Schwarz und Weiß. Gut und Böse werden in dem Buch sehr vielschichtig beschrieben. Furia bemerkt selbst, dass sie nicht nur gute Dinge vollbringt, ebenso wie sie bemerkt, dass aus Feinden Freunde werden können und dass Freunde auch durchaus zu bösen Dingen fähig sind. 'Die Seiten der Welt' bekommt von mir eine ganz klare Leseempfehlung für alle, die Tintenherz oder Harry Potter lieben, die sich gerne auf Parallelwelten und magische Orte einlassen und vor allem für Leute, die es lieben, Anspielungen und Easter Eggs zu suchen - denn davon gibt es im Buch eine ganze Menge. Ich bin auf jeden Fall total begeistert und habe gleich im Anschluss den zweiten Band begonnen und hoffe, dass mich dieser genauso überzeugt.

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